Impuls für Dienstag, 29. April 2025
Losung
Wer seinen Nächsten verachtet, versündigt sich; aber wohl dem, der sich der Elenden erbarmt!
Sprüche 14, 21
Lehrtext
Wenn ihr alles getan habt, was Gott euch befohlen hat, dann sagt: Wir sind Diener, weiter nichts; wir haben nur getan, was uns aufgetragen war.
Lukas 17, 10
Impuls für den Tag
Tine ging, rote Schuhe auf blinden Steinen. Einen Korb schwer am Arm. Am Fluss, wo das Wasser das Fließen vergaß, saß der Alte. Zusammengesunken. Ein Bündel aus vergangenen Tagen. Der Blick verloren in einer Welt, die ihn abgeschrieben hatte.
Tine setzte sich. Nicht aus Pflicht. Nicht aus Mitleid. Einfach so. Sie nahm das Brot aus dem Korb, brach es; nicht hart, nicht hastig, sondern als teilte sie etwas, das nie ganz ihr gehörte – eine Geste, die sagt: Ich weiß, dass du da bist. Sie reichte ihm die größere Hälfte, beinahe ehrfürchtig, als reichte sie ihm etwas Heiliges. Und der Alte sah sie an, als hätte sie ihm ein Stück Himmel in die Hand gedrückt. Er nahm es, tastend, mit Händen, die vergessen hatten, was Berührung ist; und seine Augen, stumpf von der Kälte vieler Jahre, fingen für einen Atemzug Licht. Keine Worte. Nichts geschieht. Alles geschieht. Tine stand auf, irgendwann, als die Zeit sich wieder in Bewegung setzte. Sie ging. Aber hier, zwischen zwei Atemzügen, würde etwas bleiben. Vielleicht war in diesem unsichtbaren Faden zwischen ihnen, in diesem stummen Tausch, ein Rest von Welt gerettet worden. Für einen Moment wenigstens. Und das, durch eine einzige Dienerin. Weiter nichts.
Sebastian Schirmer, Leipzig